Erinnerungen
Erinnerungen von Max Heider, Franz-Josef Kollbach und Elfriede Daum entführen uns in das letzte Jahrhundert zurück.
Max Heider sen. (14.11.1996) – Meinen Nachkommen zum Gedenken
Als ich am 25.9.1 893 in Claasbruch das Licht der Welt erblickte, hatten meine Eltern auch wohl nicht damit gerechnet, welchem Zeitalter sie mich entgegenführten, außer den noch drei nachfolgenden Brüdern. Mein Vater Richard Heider geb. am 2.9.1867 in der Atzlenbach, wo mein Großvater Heinrich Heider hingezogen war. In den achtziger Jahren kaufte sich dann m ein Großvater in der Biesenbach Nr.20 an, wo er eine kleine Landwirtschaft mit sieben Morgen Land betrieb. Als Zugpferd wurde eine Baukuh benutzt, welche auch gleichzeitig für Milch sorgen mußte. Die landwirtschaftlichen Erzeugnisse brachte meine Großmutter nach Solingen, natürlich zu Fuß, ein Korb auf dem Kopf und an jedem Arm noch ein kleinerer. Alles wurde bei einer Familie Bräuhaus abgeliefert. Zusätzlich betrieben meine Großeltern
noch eine Plüschweberei, (dieses Gewerbe war in unserer Gegend sehr verbreitet, fast jeder Haushalt betrieb einen Webstuhl als Nebenerwerb) welche auch von vier der sechs Kinder erlernt wurde. Wenn eine Lieferung fertig war, so mußte dieselbe nach Elberfeld gebracht werden, natürlich zu Fuß. Die Bahn war damals schon da, aber in Privatbesitz. Nach Elberfeld fuhr damals die Bergisch-Märkische und die war sehr teuer. Ich weiß noch, dass mein Vater erzählt , dass sie das Fahrgeld an einem Tag nicht verdienen konnten.
Nach dem Jahre 1900 fuhr meine Großmutter nun mit der Eisenbahn nach Solingen und wurde dann von uns Kindern regelmäßig um vier Uhr abgeholt. Großmutter brachte uns immer Klümpchen mit, für jeden zwei. Außerdem für unsere Familie das Fleisch für Sonntag.
1 Pfund Rindfleisch für Suppe. Von der Suppe wurde eine Tasse abgeschöpft, welche als Soße für die Kartoffeln diente. Meine Mutter Mathilde geb. Löhdorf wurde in Biesenbach am Siefen geboren, also auf Lützenkirchener Gebiet. Auch hier kleine Landwirtschaft, Plüschweberei sowie ein kleiner Fuhrbetrieb. Mein Großvater von mütterlicher Seite ist aber früh verstorben und ließ vier unversorgte
Kinder zurück. Unterstützung gab es zu dieser Zeit nicht, so daß die Großmutter in den Tagelohn gehen mußte. Sie war eine geborene Schultes mit Namen Hermine aus Romberg. Sie starb 1898, als ich 5 Jahre alt war. In der Biesenbach lernten sich auch meine Eltern kennen. Auf der Scheunentenne, dort wurde früher nach Melodien einer Ziehharmonika das Tanzen gelernt. Walzer-Polka Schottisch
und Polka-Masurka. Andere Tänze waren unbekannt.
Am 1 .2.1893 wurde geheiratet und im September kam ich zur Welt. Wir wohnten damals in Claasbruc h Nr.2 in einem kleinen Häuschen, welches einem ledigen Bauern (Robert Kolk) gehörte. Zu der Wohnung gehörte ein Garten, etwas Bauernhof sowie ein Stall für Ziegen . Also Gemüse, Kartoffeln und Milch war da. Für den Winter wurde im Herbst mit gesorgt. Eine Tonne Sauerkraut, eingemachte
Bohnen sowie Rübstiehl waren im Keller. Ferner wurd en noch Bohnen getrocknet, sowie Birnen und Pflaumen. Eingekochte Sachen kannte man damals noch nicht. Bananen, Tomaten und Aprikosen und alles was es heute gibt, für uns völlig unbekannte Begriffe. Nur zu Weihnachten gab es mal eine Apfelsine, aber wir waren glücklich und zufrieden. Mein Vater war beschäftigt bei der Fa. I.I. Tillmanns Neucronenberg als Schleifer. Die Arbeitszeit war von 6:30 Uhr bis 18:30 Uhr. Nur a n Samstagen bis 16:30 Uhr. Nebenbei ging mein Vater noch Obstbäume schneiden sowie veredeln und Obst pflücken. Außerdem war er auch noch bei der Fa. Tillmann Sonntagsnachmittagpförtner. Von 13:00 – 18:00 Uhr. Anschließend ging er in das Werkskasino und trank ein paar Glas Bier und der Sonntag war vorbei. 1903 kaufte mein Vater sein elterlich es Anwesen; die 4 Geschwister wurden ausbezahlt und wir zogen von Claasbruch zur Biesenbach 20. Am 1. April 1907 wurde ich aus der Schule entlassen. Eine Arbeits- oder Lehrstelle konnte ich noch nicht bekommen da
ich erst im September 14 Jahre alt wurde. So wurd e ich unter der Hand für ein Jahr auf der Landwirtschaft beschäftigt, bei Bauer Städgen in Claasbruch . Hier ging es munter zu. Von morgens sieben Uhr bi s abends 7 -8-9 oder zehn Uhr. Ich musste alles tun: Vieh füttern, Ställe misten. Selbst melken wurde mir beigebracht. Als Entgelt erhielt ich pro Woche 3,60 Mark. Von diesen 3,60 erhielt ich 20 Pfennig.
Am 1. Mai 1908 wurde ich nun auch bei der Fa. Tillmanns untergebracht, als Arbeiter und erhielt am 1. Mai 1909 einen Lehrvertrag als Schlosser. Meine Lehrzeit betrug 4 Jahre . Als Entgelt wurde für das 1. Jahr 1. Mark, im 2. Jahr 1,25 Mark, im 3. Jahr 1,50 und im 4. Jahr 2 Mark pro Tag bezahlt. Im 4.Jahr wurd e man aber schon mit Akkordarbeit betraut , so das man wöchentlich schon 20,- Mark verdiente .
Ältere Handwerker hatten im Schnitt einen Tagelohn von 5,- Mark. Nach dem mein Bruder Richard auch bei der Firma eingestellt wurde, ging es uns zu Hause besser und es gab jeden Mittwoch etwas Schweinebraten zum Mittagessen. Oder wenn Kirmes in Neukirchen oder Opladen war : 1 DM zusätzliches Taschengeld. Im Jahr 1909 wurde nun die Berufsschule eingeführt, (Fortbildungsschule genannt).
Ich war schon zwei Jahre aus der Schule und jetzt mussten wir wieder in die Schule. Z um Zeichenunterricht mussten wir Handwerkslehrlinge nach Köln. Und zwar jeden Sonntag Morgen nach Köln zur Baltasar-Str., Unterricht von 9-12 Uhr. Das Fahrgeld, eine Halbjahreskarte kostete 16 Mark, mussten wir selbst bezahlen. Zeichenbretter usw. mussten immer hin und her geschleppt werden.
Um 1: 30 Uhr waren wir dann wieder zu Hause. Nachdem wir uns dann gesättigt hatten, fing nun der Sonntag an. Es wurde sich dann gegen 3 Uhr getroffen, meistens bei Heinrichs.
Oft waren wir dann so 20 Jungs zusammen und dann ging es los. Es wurde Räuber und Gendarm gespielt, in einem Raum der von Neucronenberg bis Hamberg und von Neukirchen bis Holzhausen/Quettingen reichte . Es ging dann bis zum späten Abend und der Sonntag war vorbei. Wenn nun Kirmes in Neukirchen – Opladen – oder Lützenkirchen war, fiel das Räuberspiel aus . In Neukirchen war
der Kirmesplatz an der Hauptstr. von der Kirche bis über Grühl . Auf dem Kirchplatz, wo jetzt ein Denkmal steht, war ein Karussell, zwischen Wirtz (Flügel) und Tillmanns war ein Karussell und zwischen Grühl und Müllers war eine Schiffsschaukel. Dann war noch eine
Schießbude, der Büchel von Leichlingen mit Backwaren und einem Kirmeshäuschen mit Spielsachen und der Traum war aus. Gefeiert wurde Sonntag bis Montag und Dienstag, aber jeder besuchte einmal die Kirmes und zu Hause wurde auch gefeiert. Dann gab es Reisbrei,
Bretzel und Zwieback, auch hatten wir immer 5 ode r 6 ltr. Flaschen Bier im Haus, außerdem Apfelwein ….. Leider enden hier die Aufzeichnungen.
Elfriede Daum
Auch der zweite Weltkrieg hinterlies in der Biesenbach seine Spuren. Neben zahlreichen Gefallenen auf den Schlachtfeldern blieb die Biesenbach nicht von den Bombenangriffen verschont. Hierzu existieren Tagebuchaufzeichnungen von Elfriede Daum:
Auch der zweite Weltkrieg blieb nicht ohne Auswirkungen auf die Ortschaft Biesenbach, wie Elfriede Daum in ihren Tagebuchaufzeichnungen berichtet. Am Anfang des zweiten Weltkriegs blieb die Biesenbach und so mit auch Elfriede Daum, ihr Mann und ihre Tochter Helga von Bombardierungen verschont, doch im Frühjahr 1940 begannen die Angriffe auf die rheinischen Städte . Die Familie musste fast jede Nacht im Keller Schutz suchen, um dort dem Grauen der Einschläge zu entgehen. Im Jahre 1944 fielen daraufhin auch die ersten einzelnen Bomben sowie eine schwere Luftmine in der Biesenbach. Die Bombardierungen verschärften sich bis im Januar 1945. Über 200 Bomben fielen zwischen Biesenbach und Bergisch Neukirchen . Die Kampffront hatte sich dem Rh ein genähert und die Familie Daum hatte beständig Truppen in Quartier. Sie konnten nur noch auf “das Wunder, was uns den versprochenen Sieg bringen sollte” hoffen. In der Nacht z um 3. März wurde Familie Daum durch eine n schweren Einschlag geweckt und was passierte, nachdem sie
wieder eingeschlafen waren, war der Alptraum für die Familie . Eine Bombe schlug ganz in der Nähe ein und das ganze Haus wackelte, so dass ein Teil des Daches einstürzte. Elfriede Daum rief nach ihrer Tochter, “aber alles blieb still”. Die böse Vorahnung, die ihr in diesem Moment wohl in den Kopf schoss, wurde leid er bestätigt. Denn als Rettungsversuche unternonmmen wurden , konnte lediglich
der tote Körper geborgen werden . “Die folgenden Tage waren wie ein wüster Traum” für Elfriede Daum und ihre Familie. Mit Hilfe von Nachbarn versuchten sie das zu bergen, was noch von ihrem Haus und ihren Habseligkeiten übrig geblieben war. Zu ihrem Glück wurde die Familie von einer Freundin, Anna Tillmanns, aufgenommen, die im Grund wohnt e . Dort war bereits viel Militär ein quartiert
und die aufgeweichten Straßen waren meist voll er Lehm, Fuhrwerken und Geschützen. Nicht viel später, am 6. März, fielen viele Menschen in Opladen einem zerstörerischen Angriff zu Opfer. Von der Beerdigung der Tochter Helga, die am nächst en Tag stattfand,
behielt Elfriede Daum noch die Worte des Pfarrers in Erinnerung : “Er hält uns doch in Händen, der alle Hände hält ” . Diese Worte spendeten ihr immer wieder Trost in schweren Zeiten, auch wenn es schwer fiel, bei all dem Leid und der Not in der sich die Menschen befanden. Am 10. 03 .1945 machte sich das Ehepaar auf den beschwerlichen Weg nach Berlin und erlebte dort das Ende des Krieges
und den Einzug der Russen in all seiner Härte. Endlich, am 27.07. des Jahres kehrten erst Friedrich Daum und am 06.09.1945 auch Elfriede Daum in die Heimat, in die Biesenbach zurück. Nachdem sie einige Jahre bei Freunden und Verwandten unterkamen, konnten sie
Ende 1948 in das eigene, wieder aufgebaute Haus einziehen. Aus ihrer Feder stammen mehrere Heimatgedichte und Lied er, die auch in vielen Heimatbüchern veröffentlicht wurden.
Franz-Josef Kollbach – Erinnerung an das Wasserwerk Biesenbach
Als ich 1925 im Wasserwerk Biesenbach geboren wurde, war mein Vater dort als Rohrmeister tätig. Seit 1919 war er für diesen Dienst von der Gemeinde Lützenkirchen, die damals n och zur Bürgermeisterei Schlebusch gehörte, eingestellt. Doch schon seit 1908 wurden
Teile der Gemeinde von hier aus mit Wasser versorgt; denn der vorherige Besitzer – die Firma Tillmanns – hatte diese Pumpstation an die Gemeinde verpachtet. Zuvor hatte sie in dieser ehemaligen Oelmühle 1858 ihre erste Schraubenproduktion begonnen. Als ich dann
laufen konnte, haben mich die vielen Maschinen im Keller und die Werkstatt im Hause begeistert. Hier konnte ich nach Herzenslust mit Rohren und Schrauben spielen. Dann war da noch das große eiserne Wasserrad an der Seite des Hauses. Durch eine breite Eisenrinne
wurde das Wasser des Wiembaches, das vorher abgestaut war, über das Wasserrad gebracht und drehte es Tag und Nacht.
Dabei machte das herabfallende Wasser einen Höllenlärm. Besonders im Winter, wenn sich lange Eiszapfen am Wasserrad bildeten, knackte und krachte es im ganzen Haus. Im Sommer dagegen wurde die Wasserrinne zur beliebten„ Badeanstalt” für uns Kinder aus der „ Biesenbach”. Besonders interessant war es im Keller, im Maschinenraum. Hier steckt e auf der Achse d es Wasserrades eine für mich
übergroße Schwungscheibe, von der mit einem breiten Lederriemen die Transmission für die Pumpen und einen Stromgenerator angetrieben wurde . Mit den Pupen wurde das Brunnenwasser aus den Brunnen, die in den Wiesen zwischen der Kapellenstraße und dem Hummelweg verteilt waren, in den Wasserturm der Lützenkirchener-Straße – Ecke Biesenbacher Weg – geleitet. Manchmal durfte
ich auch mit meinem Vater über die steile Eisenleiter bis zum Rande des Wasserbehälters hochklettern. Unten im Turm war sogar eine Gefängniszelle. Sie ist aber nie benutzt worden. 1959 wurde leider das alte Wasserwerk, dieses Wahrzeichen von Lützenkirchen, gesprengt.
Das Pumpwerk wurde 1955 stillgelegt. Seit der Zugehörigkeit der Gemeinde zur Stadt Opladen unterstand es den Stadtwerken Opladen. Nach dem Tod meines Vaters 1932, er verunglückte auf einer Dienstfahrt, übernahm Herr Willi Cohnen den Dienst im Wasserwerk.